Die Selbstmedikation in Deutschland befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Was früher ein ergänzendes Angebot für eine begrenzte Zielgruppe war, ist heute ein stark wachsender, digital geprägter Markt. Neue Datenanalysen von DatamedIQ auf Basis aktueller Bewegungsdaten:
Der Markt verändert sich strukturell - mit weitreichenden Folgen für Hersteller, Apotheken, Plattformen und Markenkommunikation.
Wachstum kommt nicht mehr von „mehr pro Person“ - sondern durch „mehr Menschen im System“
Der CHC-Versandhandel (Consumer Healthcare) wächst - doch nicht, weil einzelne Nutzer*innen deutlich mehr ausgeben. Sondern, weil deutlich mehr Menschen digitale Kanäle für Selbstmedikation nutzen.

Der „Treiberbaum“ oben, wie wir ihn nennen, im Überblick: Sehen wir uns einmal die Shopper-Daten (OTC) auf Umsatzebene (rAVP) basierend im MAT 03.2025 verglichen mit MAT 03.2024 an.
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Die Zahl der aktiven Online-Shopper*innen wächst um +10,3 %
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Die Bestellfrequenz pro Person steigt um +4,6 %
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Gleichzeitig sinkt die durchschnittliche Warenkorbgröße: -7,7 % weniger Artikel pro Bestellung
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Der durchschnittliche Preis pro Artikel steigt leicht: +3,3 %
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Daraus ergibt sich ein minimaler Umsatzrückgang pro Shopper*in: -0,4 %
Die Effizienz pro Person bleibt also weitgehend stabil - das Gesamtwachstum des Marktes entsteht vor allem durch die Zunahme an Käufer*innen. Das bedeutet: Der Markt skaliert über Reichweite, nicht über Intensität.
Ein neues Käuferprofil prägt den digitalen CHC-Markt
Mit der steigenden Nutzerzahl verändert sich auch das Profil der Käufer*innen. Während bei Bestandskundschaft nach wie vor ältere Zielgruppen (vor allem Männer) überwiegen, zeigt sich bei den Neukund*innen ein klarer Shift zu Jüngeren:

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Besonders Frauen im Alter von 18-29 Jahren gewinnen massiv an Bedeutung.
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Bei den Männern bleiben die Anteile stabiler - aber auch hier treten jüngere, digitalaffine Zielgruppen häufiger in Erscheinung.
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Die neuen Käufer*innen sind preisbewusst, komfortorientiert und informationsgetrieben.
Die Erwartungen verändern sich: Digitale Nutzer*innen erwarten Transparenz, Vergleichbarkeit, einfache Bedienbarkeit und schnelle Verfügbarkeit. Das beeinflusst nicht nur Produktpräferenzen, sondern auch Tonalität, Interface, Kundenservice und Versandprozesse.
Warum kaufen Menschen online? Drei klare Motive
Die Entscheidung für den Online-Kanal ist für viele Kund*innen rational, aber auch emotional geprägt. Die Hauptmotive im Überblick:
1. Preisvorteil: 74 % nennen den günstigeren Preis als zentrales Argument.
2. Vergleichbarkeit: 50 % schätzen die einfache Möglichkeit, Produkte und Anbieter zu vergleichen.
3. Komfort: 33 % geben an, dass Bequemlichkeit für sie kaufentscheidend ist.
Der digitale Kanal punktet nicht nur mit Preis, sondern mit Selbstbestimmung, Einfachheit und Kontrolle.
Was wird gekauft? Kategorien mit klarer Dynamik
Die umsatzstärksten und am schnellsten wachsenden Kategorien im Versandhandel zeigen deutlich: Es geht zunehmend weniger um akute Erkrankung, und mehr um Wohlbefinden, Pflege und Prävention.
Starke Wachstumskategorien bzw. ATC-Klassen (verlinken Glossar):
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Andere Dermatika: +17,8 % Umsatzwachstum - Hautpflege, Ästhetik, tägliche Anwendung
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Mineralstoffe, Mikronährstoffe, Darmgesundheit: zweistelliges Wachstum
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Nahrungsergänzung und Diätprodukte: hohe Versandanteile, z. B.:
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Antiadiposita: 84 % online
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Omega-3-Präparate: 59 % online
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Schlankheitsmittel: 56 % online
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Marken mit Vorreiterrolle: Marken wie Eucerin, La Roche-Posay oder Orthomol überzeugen nicht nur durch Produktqualität, sondern durch klare Markenführung, digitale Sichtbarkeit und Orientierung.
Selfcare wird zur Normalität...
... nicht nur zur Reaktion auf Beschwerden. Die aktuellen Daten unterstreichen einen klaren Trend: Selbstmedikation ist längst nicht mehr nur eine Maßnahme bei akuten Beschwerden. Wie unser aktueller Healthcare Report zeigt, ist sie Teil eines aktiven, präventiven und lifestyle-orientierten Gesundheitsverständnisses.
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84 % der befragten Personen nehmen regelmäßig oder gelegentlich Nahrungsergänzungsmittel ein
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60 % treiben mindestens ein- bis zweimal pro Woche Sport
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55 % empfinden präventive Gesundheitsvorsorge als wichtig
Gesundheit wird nicht mehr nur reaktiv gedacht („Ich tue etwas, wenn ich Symptome habe“), sondern proaktiv gehandelt („Ich tue etwas, damit ich gesund bleibe“).
Was bedeutet das für Anbieter und Hersteller im CHC-Bereich?
Die Veränderungen sind nicht nur ein temporärer Trend, sie markieren einen nachhaltigen Wandel im Gesundheitsmarkt. Wer künftig erfolgreich sein will, sollte:
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Zielgruppen neu denken: Jüngere, digitalaffine Nutzer*innen gewinnen an Bedeutung.
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Sortimente weiterentwickeln: Produkte rund um Prävention, Pflege und Alltag ersetzen zunehmend „klassische“ Selbstmedikation.
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Digitale Touchpoints optimieren: Apps, Plattformen und Influencer werden zu wichtigen Einstiegspunkten.
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Beratungsangebote neu ausrichten: Neben Apotheken und Ärzt*innen übernehmen auch Marken, Plattformen und digitale Tools eine beratende Rolle.
Fazit: Der digitale Gesundheitsmarkt spiegelt den gesellschaftlichen Wandel
Selbstmedikation wird digitaler, jünger, präventiver - und selbstbestimmter. Die Grenzen zwischen Therapie, Wellness und Lebensstil verschwimmen zunehmend. Wer als Anbieter in diesem Umfeld bestehen will, muss verstehen, wie sich Lebensrealitäten verändern - und wie Daten helfen können, daraus die richtigen Entscheidungen abzuleiten.